Minden / Petershagen. Von 1951 bis 2008 diente das Gebäude an der Straße "Bergring 4a" in Petershagen den neuapostolischen Christen aus Petershagen und Umgebung als Gotteshaus; nun dient es seit dem 22. Oktober 2015 Flüchtlingen als Übergangsunterkunft.
Auch an der Neuapostolischen Kirche geht der demographische und gesellschaftliche Wandel nicht vorüber. Rückgänge bei den Mitgliederzahlen und auch bei den Gottesdienstbesuchern machen es seit einigen Jahren erforderlich, dass Gemeinden zusammengelegt werden. Diese rückgehende Entwicklung war auch in den Gemeinden Petershagen und Lahde zu verzeichnen. Im Jahr 2006 wurden daher erste Schritte eingeleitet, um die Gemeinde Petershagen mit der Gemeinde Lahde, welche nur vier km entfernt ist, zu fusionieren. Zunächst wurden die Wochen- und Sonntagsgottesdienste im Wechsel, dann nur noch in der Gemeinde Lahde abgehalten.
Bewusste Standortentscheidung für lebendige Gemeinde
"Die Entscheidung für den Standort Lahde fiel, da erstens das Kirchengebäude jünger ist und dort auch die notwendigen Räumlichkeiten für begleitende Unterrichte zur Verfügung stehen", so der zuständige Bezirksvorsteher Jürgen Meyer. In 2008 erfolgte dann die Profanierung des Kirchengebäudes in Petershagen und die Fusion der Gemeinden zur neuen Gemeinde Petershagen-Lahde mit dem Kirchengebäude in der Schillerstraße 4 in Lahde. Seit der Profanierung stand das Gebäude in Petershagen leer. Zunächst ein bewusster Leerstand, da das ehemalige Gotteshaus nicht unmittelbar einer anderen Verwendung zugeführt werden sollte. Nach Ablauf der Karenzzeit wurde über die NAK Immobilien GmbH intensiv nach einer weiteren Verwendungsmöglichkeit gesucht. Hier standen verschiedene Optionen, wie Veräußerung oder auch Vermietung bzw. Verpachtung, im Raum.
Intensive Suche für weitere Nutzung
"Im Juni 2015 trat dann eine junge Initiative aus Petershagen an uns heran", so Uwe von Oppenkowski von der NAK Immobilien GmbH. Diese wollte die Liegenschaft gern als Kleiderkammer für notleidende Menschen und für Unterrichtszwecke nutzen. Eine seitens der Neuapostolischen Kirche sehr zu begrüßende Nutzung des ehemaligen Kirchengebäudes. Es folgten intensive Gespräche mit dem Sprecher der Initiative, Pastor i. R. Reiner Tesche, dem Leiter des Sozialamtes der Stadt Petershagen, Karl-Heinz Hucke, und der NAK Immobilien GmbH. Leider musste sich die damalige Initiative, der heutige Verein "Menschen in Notlagen - Petershagen e. V.", dann aus diesem Projekt beziehungsweise von dieser Idee zunächst verabschieden. Hintergrund waren fehlende finanzielle Mittel.
Initiative für notleidene Menschen wollte anmieten
Die Neuapostolische Kirche wäre bereit gewesen das Kirchengebäude unentgeltlich für die Nutzung zur Verfügung zu stellen. Lediglich die laufenden Betriebskosten hätte die Initiative tragen müssen. "Aber", so Reiner Tesche, der Vorsitzende des heutigen Vereines im Gespräch, "dann kam der Hammer". Bei einer Begehung mit dem Sozialamt und Bauamt stellte sich heraus, dass bei der beabsichtigten Nutzung aus brandschutz- und baurechtlichen Gründen Umbaumaßnahmen erforderlich waren, welche der junge Verein nicht finanzieren konnte. "Die Kosten hierfür hätten sich auf 8.000 - 10.000 € belaufen" so Tesche. Das Geld war nicht vorhanden. Dabei sei man nach dem ersten, sehr positiven Gespräch bereits dabei gewesen, Inventar aus der Realschule in Lahde, welche abgerissen wird, in das Gebäude zu transportieren. Die Stadt wollte das Inventar der Schule kostenfrei für den Verein und die Zwecke der Flüchtlingshilfe zur Verfügung stellen. "Die Kirche kann solche zusätzliche Kosten für Baumaßnahmen bei fremder Nutzung nicht übernehmen" so von Oppenkowski. "Auch wir sind unseren Mitgliedern gegenüber zu einer sparsamen Haushaltsführung verpflichtet." Zumal sich die Neuapostolische Kirche ausschließlich aus freiwilligen Spenden und nicht aus Steuermitteln finanziert.
Umnutzung zu Wohnzwecken über die Stadt Petershagen
Über die Begehung und die Gespräche mit dem Verein war allerdings das Sozialamt der Stadt Petershagen über die Möglichkeit der Nutzung des ehemaligen Kirchengebäudes informiert und in das Verfahren involviert. Nunmehr trat das Sozialamt unmittelbar an die NAK Immobilienabteilung heran und suchte gemeinsam mit dieser nach einer Lösung. Konzeptionell ergab sich dann, dass das Sozialamt der Gemeinde Petershagen das Kirchengebäude für die Unterbringung von bis zu zwölf Flüchtlingen herrichten möchte. "Auch dieses ist aufgrund der beengten räumlichen Verhältnisse nur eine Übergangslösung", so der Leiter des Sozialamtes, Karl-Heinz Hucke. Derzeit wird nun das ehemalige Kirchenschiff als Schlafsaal genutzt. Die notwendige Nachrüstung des Gebäudes mit Fluchtfenstern, Duschen, Verlegung der Küche etc. erfolgte auf Kosten der Stadtverwaltung. Es wird weiter dringend Wohnraum für Flüchtlinge im Bereich Petershagen, Lahde und Umgebung gesucht.
Gelebte Ökumene in der Flüchtlingsarbeit
Die Betreuung der Flüchtlinge wird durch den Verein "Menschen in Notlagen - Petershagen e.V." vorgenommen. "Wir schauen, dass wir den Menschen leichtere Arbeiten und Aufgaben vermitteln", so Tesche. Ferner finden gemeinsame Kochaktivitäten, Sprachunterricht und weiteres statt. Hierfür nutzt der Verein das Paul-Gerhard-Haus der evangelischen Kirche, das alte Amtsgericht, Räumlichkeiten im katholischen Gemeindehaus und nun das ehemalige Gebäude der Neuapostolischen Kirche. "Das ist gelebte Ökumene", findet Tesche. "Auch wenn es mit dem ersten Anlauf nicht so klappte, so sind wir Herrn von Oppenkowski doch dankbar, für die guten Tipps welche er bezüglich der Vereinsgründung gegeben hat". Durch die Vereinsgründung hätten sich viele Vorteile ergeben, unter anderem seien von einem namhaften deutschen Verlag Schulbücher für den Deutschunterricht kostenfrei zur Verfügung gestellt worden. Weiter habe die Stadt Petershagen dem Verein 20 Fahrräder zukommen lassen, welche nun von den neuen Mitbürgern genutzt werden könnten. Und über die zuerkannte Gemeinnützigkeit kann der Verein auch steuerlich relevante Spendenbescheinigungen ausstellen.
Weitere Hilfe und Helfer gesucht
Die Neuapostolische Kirche Nordrhein Westfalen stellt über die NAK Immobilien GmbH das Kirchengebäude der Stadt Petershagen im Rahmen eines entsprechenden Vertrages für zunächst 24 Monate zur Verfügung. Wer sich hier engagieren möchte, ist dem Verein "Menschen in Notlagen - Petershagen e.V." herzlich willkommen. Hilfen bei den Deutschkursen, als Flüchtlingspaten, Sachspenden zum Beispiel in Form von Fahrrädern und auch finanzielle Unterstützungen werden gern angenommen.
Sie möchten helfen? Über diese E-Mailweiterleitung erreichen Sie den Vorsitzenden des Vereines, Reiner Tesche.
© Neuapostolische Kirche Bezirk Minden - Team Öffentlichkeitsarbeit